Die jüngsten Unwetter und Hochwasser haben zahlreiche Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer in Österreich um ihr Eigentum bangen lassen. Mit der passenden Versicherung lassen sich im Fall des Falles zumindest die materiellen Verluste eindämmen bzw. ausgleichen. Thomas Savera, Versicherungsberater beim Zentralverband Haus & Eigentum, erklärt im Interview die wichtigsten Fakten
Haus & Eigentum: Welche Versicherungen bei Wohngebäuden sind Standard?
Savera: Die Standardsparten in der Wohngebäudeversicherung sind Feuer, Leitungswasser und Haftpflicht für Haus- und Grundbesitz (siehe §21 Abs. 1 Z. 4–6 MRG).
Darüber hinaus gibt es Zusatzsparten wie Sturm und Glasbruch sowie Standalone-Versicherungen (z.B. eine Technikversicherung für PV-Anlagen) und spezielle Deckungserweiterungen in den einzelnen Gebäudesparten.Die Sparten Sturm und Glasbruch können nur nach mehrheitlicher Zustimmung der Mieter abgeschlossen werden, da die Prämie der Gebäudeversicherung ja über die Betriebskosten abgerechnet wird.
Haus & Eigentum: Was sind häufig auftretende Schäden, gegen die man auf jeden Fall versichert sein sollte? Welche Schäden deckt eine Gebäudeversicherung ab, welche Schäden sind in ihr nicht enthalten?
Savera: Bei Altbauten ist die Wahrscheinlichkeit eines Druckrohrgebrechens hoch. Eine bessere Deckung in der Leitungswasserversicherung macht sich in der Regel bezahlt.
Jüngst beobachteten wir eine Häufung von Niederschlagswassereintritten an Fenstern und Balkontüren oder an den Terrassen selbst. Grund ist meist eine mangelhafte Gebäudeabdichtung infolge ungenügender Instandhaltung bzw. ein unsachgemäßer Einbau. Die Behebung von Instandhaltungsmängeln an sich ist nicht versicherbar, wohl aber die Behebung von Folgeschäden – hier ist eine ausreichend hohe Versicherungssumme zu wählen.
Verwirrung herrscht manchmal darüber, wofür die Gebäudeversicherung aufkommt, und was über die Haushaltsversicherung gedeckt ist. Die Gebäudeversicherung deckt Schäden am Gebäude selbst, und zwar im Rahmen der beantragten Sparten. Die Haushaltsversicherung hingegen deckt Schäden am beweglichen Inhalt der jeweiligen Mieter oder Bewohner.
Die Basisdeckung von Eigenheim- aber auch von Wohngebäudeversicherungen gegen Naturgefahren ist leider grundsätzlich gering und so bedarf es hier einer genauen Risikobewertung und erhöhter Deckung.
Haus & Eigentum: Kann ich auch meinen Garten oder meine Photovoltaik-Anlage mitversichern?
Savera: Ja, Photovoltaikanlagen können in die Gebäudesparten (inkl. Glasbruch!) eingeschlossen werden. Sie können aber auch mit einer umfassenden Technikversicherung, z.B. gegen Bedienungsfehler, Unachtsamkeit oder Blitzschlag, abgesichert werden. Darüber hinaus kann auch eine Ertragsausfallversicherung für PV-Anlagen abgeschlossen werden. Außenanlagen, Einfriedungen, Pflanzen und Kulturen sind auch im Rahmen der Wohngebäudeversicherung versicherbar – diese Deckung ist in aktuellen Tarifen oft bereits enthalten.
Haus & Eigentum: Die letzten Tage haben gezeigt, wie wichtig es ist, auch gegen außergewöhnliche Naturereignisse wie Hochwasser gewappnet zu sein. Wenn es zum Schlimmsten kommt: Wie sieht der optimale Versicherungsschutz aus, um auch gegen Schäden durch außergewöhnliche Naturereignisse wie Überschwemmungen und Hangrutschungen versichert zu sein?
Savera: Der optimale Schutz ist vielschichtig. Er beginnt bei Präventivmaßnahmen auf baulicher Seite und reicht bis zur sinnvollen Versicherungsdeckung nach einem Schadeneintritt. Der perfekte Versicherungsschutz scheint für die meisten Versicherungsnehmer aus kaufmännischer Sicht erst einmal unvertretbar. Das ändert sich zu dem Zeitpunkt, an dem ein Schaden eintritt und man sich eine höhere Deckung herbeisehnt.
Die Standarddeckung für Naturkatastrophen variiert von Versicherer zu Versicherer und beträgt zwischen
€ 5.000 und € 10.000. Höhere Deckungen bis rund € 100.000 sind möglich, kosten aber entsprechend mehr. Dies vor allem dann, wenn sich die Liegenschaft im Risikogebiet befindet, die hohe Deckung also wahrscheinlich auch konsumiert werden muss. Die Versicherungssummen für Naturkatastrophen sind in der Regel Jahreshöchstentschädigungssummen, das heißt, sie stehen nur einmal pro Jahr zur Verfügung
Haus & Eigentum: Wie kann ich abschätzen, ob eine Zusatzversicherung gegen Elementarschäden sinnvoll ist?
Savera: Das hängt in erster Linie von den örtlichen Gegebenheiten der Liegenschaft ab. Mit dem Standort und seinen geographischen Eigenheiten fällt und steigt nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Schadens durch ein außergewöhnliches Naturereignis, sondern auch die Versicherungsprämie für diese Deckung.
Bei einem Haus, das unmittelbar neben einem hochwassergefährdeten Fluss gebaut wurde, ist die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Hochwasserschadens naturgemäß deutlich höher als bei einem Haus, das auf der Spitze eines Hügels steht. Gleichzeitig wird für das Haus auf dem Berg eine höhere Wahrscheinlichkeit für Sturmschäden herrschen als für das Haus am Fluss.
Die wohl beste Quelle zur Abschätzung des tatsächlichen Risikos ist die HORA-Abfrage des Bundesministeriums für Land- Forstwirtschaft (www.hora.gv.at). Hier kann man sich die Gefährdungslage für seine Liegenschaft in Bezug auf Hochwasser, Lawinen, Erdbeben, Rutschungen, Windspitzen, Blitzdichte, Hagel und Schneelast bescheinigen lassen und sein Risiko auf Versicherungsseite dementsprechend eindecken.
Entschädigung wird geleistet für Hochwasser, Überschwemmung, Vermurungen, Lawinen und Erdbeben – den sogenannten außergewöhnlichen Naturereignissen. Hagel und Sturm (ab 60 km/h) z.B. zählen zu den gewöhnlichen Naturereignissen und sind im Rahmen der Sparte Sturm standardmäßig im Rahmen der Gebäudeversicherungssumme gedeckt, sofern diese Sparte beantragt wurde.
Haus & Eigentum: Wann steht mir Entschädigung durch die Katastrophenhilfe zu?
Savera: Der Katastrophenfonds des jeweiligen Bundeslandes gewährt natürlichen und juristischen Personen eine finanzielle Hilfe zur Behebung von Schäden, die durch Hochwasser, Erdrutsch, natürlich induzierte vertikale Bodenbewegungen (insbesondere Erdsenkungen), Vermurung, Lawinen, Erdbeben, Schneedruck, Orkan, Bergstürze und Hagel entstanden sind.
Dadurch, dass die tatsächliche Entschädigungsleistung aus dem Katastrophenfonds Ländersache ist, gibt es hier teils gravierende Unterschiede. Dies betrifft sowohl die Höhe der Entschädigung als auch die Eintrittsschwelle – also ab wann Entschädigungen geleistet werden.
Grundsätzlich muss der Antrag auf Leistung bei der jeweiligen Gemeinde gestellt werden, und Schäden müssen durch einen Amtssachverständigen bewertet werden. Die beihilfefähigen Kosten ergeben sich aus der anerkannten Schadenssumme abzüglich einer allfälligen Versicherungsleistung.
Die Höhe der Beihilfe bewegt sich zwischen 20 % und 100 % (je nach Bundesland) der tatsächlichen, geschätzten Schadenhöhe. Auch die maximale Entschädigungsleistung variiert erheblich in den Ländern. Hier lohnt es sich, die Förderrichtlinie des jeweiligen Landes eingehend zu studieren und den Versicherungsschutz entsprechend zu wählen. In den meisten Ländern wird im Katastrophenfall noch eine Art Selbstbehalt von der Förderleistung abgezogen, wenn Naturgefahren gar nicht versichert waren, welche versicherbar gewesen wären.
Haus & Eigentum: Welche Daten sind notwendig, um die für ein Gebäude jeweils passenden Versicherung zu finden?
Savera: Folgende Daten benötigt Ihr Berater unter anderem für die Beratung einer Wohngebäudeversicherung:
- Adresse
- Nutzfläche bzw. verbaute Fläche und Anzahl Geschoße
- Baujahr
- Bauart (massiv, gemischt/Holz) und Dacheindeckung (hart oder weich)
- Gewerbe im Gebäude (insbesondere wenn die gewerblich genutzte Fläche 1/3 der Gesamtfläche übersteigt)
- Information über Anbauten/
Nebengebäude sowie Außenanlagen (auch Schwimmbecken) - Einrichtungen (Inventar) im Eigentum des Gebäudeeigentümers
(z.B. mitvermietete Küche) - Eventuell vorliegender Denkmalschutz
- Eventuell vorliegende Baumängel oder aktuelle Bautätigkeit
- Übergroße Gebäudeverglasung (>5m²) sofern die Glasbruch-
versicherung abgeschlossen werden soll - Vorhandensein einer wasserführenden Klimaanlage, Sprinkleranlage oder wasserführende Fußbodenheizung oder Deckenkühlung
Haus & Eigentum: Kann es in bestimmten Fällen sinnvoll sein, vorher Gutachten einzuholen?
Savera: Wir empfehlen grundsätzlich besonders bei Erneuerung einer „alten“ Gebäudeversicherung ein Gebäudegutachten auf Rechnung der Versicherungsgesellschaft erstellen zu lassen. Zuletzt in den Jahren 2018–2023 sind die Baukosten in allen Bereichen massiv angestiegen – hier fand von Q1 2018 auf Q1 2024 eine Indexerhöhung um 43 % statt – und eine Erhöhung einer „alten“ Versicherungssumme bloß auf Basis des BKI ist in vielen Fällen nicht ausreichend.
Darüber hinaus ist ein Gutachten bei größeren baulichen Veränderungen (z.B. Aufstockungen, Dachgeschoßausbauten) unabdingbar, da sonst besonders hohe Gefahr für Unterversicherung und damit für Leistungseinschränkungen im Schadenfall seitens der Versicherer besteht. Je besser man ein Risiko versteht, desto besser kann man es auch ver- und absichern.
Haus & Eigentum: Wenn ich Veränderungen z.B. am Gebäude oder an dessen Inventar vornehme – wann sollte ich dies meiner Versicherung melden?
Savera: Jede Gefahrenerhöhung und jede Änderung an der versicherten Sache ist grundsätzlich dem Versicherer anzuzeigen, um nicht Gefahr zu laufen, die Prämie und das Risiko in Ungleichgewicht zu bringen. Meldet man wesentliche Änderungen am Gebäude (z.B. Dachbodenausbau) und Einrichtung nicht, begeht man eine Obliegenheitsverletzung, was im Schadenfall zur teilweisen Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann.
Daher unsere Empfehlung: melden Sie Veränderungen an Ihrem Gebäude, bevor diese vorgenommen werden. In vielen Fällen wird es so sein, dass die geplante, bauliche Veränderung keine Gefahrenerhöhung darstellt und daher auch keine Prämienerhöhung auslöst.
Wie in vielen Bereichen gilt auch hier: durch’s Reden kommen die Leute zusammen und auch Versicherer sind bei entsprechender rechtzeitiger Kommunikation durchaus zu Kompromissen bereit.
Haus & Eigentum: Wie verhalte ich mich im Schadensfall? Wie dokumentiere ich die Schäden? Welche Unterlagen und Dokumente soll ich bereithalten?
Savera: Nach Eintritt des Versicherungsfalles hat der Versicherungsnehmer mehrere Obliegenheiten zu erfüllen:
- den Schaden unverzüglich, also ohne unnötigen Aufschub zu melden.
- Schadenminderungspflicht: Alles Zumutbare zu unternehmen, den Schaden möglichst gering zu halten. Das beinhaltet beispielsweise die sofortige Beauftragung eines Installateurs bei einem Wasserrohrbruch (Druckrohrgebrechen) oder die Inanspruchnahme eines Dachdeckers oder Spenglers nach einem Sturmschaden am Dach, wenn Niederschlag absehbar ist. ACHTUNG: Ab einer gewissen Schadenhöhe ist die Besichtigung bzw. Bewertung des Schadens durch einen Sachverständigen der Versicherung notwendig. Damit wird sichergestellt, dass eine friktionsfreie Schadenabwicklung erfolgen kann.
- Schadenaufklärungspflicht: Bei der Aufklärung des Schadenfalles ist mitzuwirken, dem Versicherer alle nötigen Informationen (sofern möglich) bereitzustellen und z.B. eine Begutachtung durch einen Sachverständigen nicht zu vereiteln.
Die Schadenmeldung selbst erfolgt im besten Fall per E‑Mail unmittelbar nach Kenntnisnahme des Schadens an den zuständigen Versicherungsbetreuer und enthält folgende Informationen: - Polizzennummer
- Wo ist was passiert?
- Schadenfotos
- Ansprechpartner
- Sofern bereits vorhanden: Reparaturrechnungen bzw. Kostenvoranschläge
Haus & Eigentum: Welche Gefahren werden oft unterschätzt?
Savera: Trotz immer öfter vorkommender außergewöhnlicher Naturereignisse – Österreich musste heuer immerhin schon mehrere Hochwasser und Überschwemmungen erleben – wird das Naturkatastrophenrisiko nach wie vor deutlich unterschätzt. Wir erleben noch immer viele Zinshäuser in Wien, die nicht gegen Sturmschäden versichert sind, obwohl wir auch in Wien nicht vor schwerem Wind und den dadurch auftretenden Schäden gefeit sind. Darüber hinaus ist auch die Katastrophendeckung Bestandteil der Sturmversicherung und diese ist, wie wir jüngst gesehen haben, auch in Wien Thema.
Haus & Eigentum: In welchen Bereichen sind Gebäudebesitzer oft unterversichert?
Savera: Die Unterversicherung beginnt grundsätzlich bei der Festlegung des Gebäudeneubauwertes – viele Eigentümer unterschätzen die Neubaukosten Ihrer Gebäude. Wie schon eingangs erwähnt, empfiehlt sich hier eine Gebäudebewertung durch einen Sachverständigen bei der beabsichtigten Neuversicherung einer Liegenschaft, der dafür Sorge trägt, dass die ermittelte Versicherungssumme korrekt ist.
Haus & Eigentum: Welche Versicherungen können in Zukunft an Bedeutung gewinnen?
Savera: Auch Mehrparteienhäuser werden inzwischen immer öfter mit PV-Anlagen ausgestattet. Für eine PV-Anlage gilt dasselbe Versicherungsprinzip wie für die Gebäude selbst: Werte sollten geschützt werden. Derzeit sind die Prämien im Verhältnis zur Versicherungssumme relativ günstig und bieten, wie bereits erwähnt, eine faktische Allgefahren-Deckung. g
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