Die Geschich­te des Auf­zugs illus­triert nicht nur die Ent­wick­lung des tech­ni­schen Fort­schritts. Sie spie­gelt auch die Ver­än­de­rung des Lebens und des Woh­nens wider. Der His­to­ri­ker und Stadt­for­scher Peter Pay­er hat mit „Auf und ab“ nun eine Kul­tur­ge­schich­te des Auf­zugs geschrie­ben.

Allein in Wien gibt es rund 44.000 Per­so­nen­auf­zü­ge – Roll­trep­pen und Pater­nos­ter mit­ein­ge­schlos­sen. Wie­vie­le Höhen­me­ter täg­lich damit über­wun­den und wie vie­le Per­so­nen damit trans­por­tiert wer­den, lässt sich nur sehr schwer abschät­zen. Sicher ist nur: Es sind vie­le!


Der Auf­zug – auch Fahr­stuhl, Lift  oder „ver­ti­ka­le Hebe­ein­rich­tung für Per­so­nen“ genannt – ist ein urba­nes Mas­sen­ver­kehrs­mit­tel. Er funk­tio­niert ste­tig, meist zuver­läs­sig und gehört zu den sichers­ten Ver­kehrs­mit­teln über­haupt. Beach­tet wird er kaum. Anders als über Autos, Loko­mo­ti­ven oder Fahr­rä­der wur­den über Auf­zü­ge sel­ten Lobes­hym­nen gedich­tet, und es wur­den ihm auch kei­ne Bild­bän­de gewid­met. Bis jetzt.

Der His­to­ri­ker und Stadt­for­scher Peter Pay­er hat nun eine „Kul­tur­ge­schich­te des Auf­zugs in Wien“ geschrie­ben. Mit vie­len Bei­spie­len schil­dert er nicht nur die tech­ni­sche Ent­wick­lung und die archi­tek­to­ni­sche Evo­lu­ti­on des Fahr­stuhls, son­dern auch die sozia­len und öko­no­mi­schen Ent­wick­lun­gen, die der Auf­zug ent­schei­dend mit­ge­prägt hat.


Einen Vor­läu­fer des moder­nen Auf­zugs ließ Maria The­re­sia im West­flü­gel des Schlos­ses Schön­brunn ein­bau­en. Es war eine von Hand betrie­be­ne Hebe­in­rich­tung, die der beleib­ten Herr­sche­rin das Stie­gen­stei­gen erspar­te. Einen ähn­li­chen Auf­zug ließ sie spä­ter übri­gens in der Kapu­zi­ner­gruft instal­lie­ren, wo ihr gelieb­ter Gat­te Franz bestat­tet wor­den war.


Den ers­ten „ech­ten“ Per­so­nen­auf­zug Wiens ließ Baron Johann von Lie­big im Jahr 1869 in sein Palais in der Wipp­lin­ger­stra­ße 2 ein­bau­en. Der Antrieb erfolg­te hydrau­lisch. Rich­tig popu­lär wur­den hydrau­li­sche Auf­zü­ge im Jahr 1873. Zwei Ereig­nis­se waren dafür aus­schlag­ge­bend: die Eröff­nung der Wie­ner Hoch­quel­len­lei­tung, die genü­gend Was­ser für den hydrau­li­schen Antrieb lie­fern konn­te, und die Welt­ausstellung im Pra­ter. In der Rotun­de wur­den zwei hydrau­li­sche Auf­zü­ge instal­liert, vor denen – zeit­ge­nös­si­schen Berich­ten zufol­ge – die Schau­lus­ti­gen Schlan­ge stan­den.


Eben­falls im Wie­ner Pra­ter fand 1883 die Inter­na­tio­na­le Elek­tri­sche Aus­stel­lung statt. Hier wur­de der aller­ers­te elek­tri­sche Per­so­nen­auf­zug prä­sen­tiert. Aller­dings wur­de erst gegen Ende der Jahr­hun­derts das Wie­ner Strom­netz ver­ein­heit­licht, das der Stadt erst­mals ver­nünf­ti­ge Strom­prei­se brach­te.


Die Grün­der­zeit bescher­te Wien ein hohes Bevöl­ke­rungs­wachs­tum. Die Stadt wuchs – nicht nur ins Umland son­dern auch in die Höhe. Die Geschoß­zahl der Wohn­häu­ser nahm zu. Tra­di­tio­nell waren die obe­ren Gescho­ße den weni­ger wohl­ha­ben­den Schich­ten vor­be­hal­ten. Aris­to­kra­tie und Groß­bür­ger­tum bewohn­ten den ers­ten Stock, die „Bel­eta­ge“, wäh­rend Dienst­bo­ten auf schma­len, stei­len Trep­pen zu ihren Behau­sun­gen in den obe­ren Gescho­ßen hoch­stei­gen muss­ten. Mit dem elek­trischen Fahr­stuhl ver­lor der ers­te Stock sei­nen bevor­zug­ten Rang. Da man nun alle Gescho­ße ohne Mühe errei­chen konn­te, wur­den die Stock­wer­ke mehr oder weni­ger gleich­be­rech­tigt. Es gab sogar einen gewis­sen Drang zu den obe­ren Gescho­ßen, weil hier die Licht- und Luft­ver­hält­nis­se bes­ser waren, und nicht zuletzt weil sie einen wei­te­ren Aus­blick boten. Das luxu­riö­se „Pent­house“ ent­stand.


Der Ein­bau eines elek­tri­schen Auf­zugs war natür­lich mit hohen Kos­ten für den Haus­be­sit­zer ver­bun­den. Dies ren­tier­te sich nur, wenn er die obe­ren Gescho­ße luxu­riö­ser gestal­te­te und teu­rer ver­mie­te­te als zuvor. Auch das bestärk­te den Trend „nach oben“.


In den Zei­tun­gen jener Zeit war immer wie­der von einer „Auf­zugs­krank­heit“ die Rede. Die Sym­pto­me waren – ähn­lich wie bei der See­krank­heit – Übel­keit und sogar Brech­reiz, her­vor­ge­ru­fen durch das plötz­li­che Anhal­ten der Kabi­ne. Ursprüng­lich war für das mehr oder weni­ger sanf­te Abbrem­sen und Anfah­ren noch ein Auf­zugs­wär­ter nötig. Sein Rang war durch­aus ange­se­hen und ent­sprach dem eines Auto­ch­auf­feurs oder eines Loko­mo­tiv­füh­rers. Für sei­ne Diens­te erhielt er von den Fahr­gäs­ten ein Trink­geld, das so genann­te „Lift­s­echs­erl“. Für den Brief­trä­ger, der täg­lich vie­le Häu­ser erklim­men muss­te, waren die vie­len Lift­s­ech­ser eine nicht unbe­trächt­li­che finan­zi­el­le Belas­tung. Man­che Haus­be­sit­zer lie­ßen den Brief­trä­ger des­halb gra­tis fah­ren. Als um 1900 die elek­tri­sche Druck­knopf­steue­rung aus­ge­reift war, mach­te dies den Lift­wart in Wohn­häu­sern obso­let. Ledig­lich in Hotels wur­de sei­ne Funk­ti­on in Gestalt des „Lift­boys“ wei­ter aus­ge­übt.


Für Hoch­häu­ser und Wol­ken­krat­zer ist ein funk­tio­nie­ren­der Auf­zug eine Con­di­tio sine qua non. In Wien woll­te die Wol­ken­krat­zer-Wel­le der Zwi­schen­kriegs­zeit aller­dings nicht so recht Fuß fas­sen. Hoch­häu­ser gal­ten zu jener Zeit zwar als Zei­chen des Fort­schritts. In Wien wur­de damals jedoch nur eines rea­li­siert: Das Hoch­haus in der Her­ren­gas­se 6 bis 8, eröff­net im Jahr 1932. Sei­ne eher beschei­de­nen 16 Stock­wer­ken und 53 Meter Höhe brach­ten ihm im Volks­mund den Kosenamen„Wolkenkratzerl“ ein.


Nach dem Zwei­ten Welt­krieg lief die Auf­zugs­pro­duk­ti­on für das zer­stör­te Wien wie­der voll an. Mit­te der 1950er-Jah­re kam es aber auch zu einem Auf­zugs­ster­ben. Vie­le alte Auf­zü­ge lie­fen damals näm­lich noch mit Gleich­strom. Das Gleich­strom­netz wur­de zu die­ser Zeit jedoch end­gül­tig abge­schal­tet und vie­le Haus­be­sit­zer konn­ten sich den Umbau nicht leis­ten.


Anders als Autos sind Auf­zü­ge recht lang­le­big, und es gibt in Wie­ner Wohn­häu­sern noch vie­le his­to­ri­sche Anla­gen. Rund 250 Auf­zü­ge sind sogar älter als 100 Jah­re. Immer mehr reift das Bewusst­sein, dass es sich dabei um wert­vol­les Kul­tur­gut und archi­tek­to­ni­sche Denk­mä­ler han­delt. Der Trend geht des­halb zur so genann­ten Stil­sa­nie­rung. Dabei wer­den Antriebs­tech­nik und Steue­rung aus­ge­tauscht, Fahr­korb und Umweh­rung aber restau­riert und wenn mög­lich ori­gi­nal­ge­treu erhal­ten.

Wie sieht die Zukunft des Auf­zugs aus? Peter Pay­er skiz­ziert in sei­nem Buch auch Ent­wick­lun­gen, die sich für die kom­men­den Jah­re abzeich­nen. Eine davon bezeich­net er sogar als „Trans­port­re­vo­lu­ti­on“: Auf­zü­ge sol­len in Zukunft von wan­dern­den Magnet­fel­dern ange­trie­ben wer­den. So ist es mög­lich, völ­lig ohne Sei­le, in Wohn­kom­ple­xen die ein­zel­nen Wohn­ein­hei­ten sowohl ver­ti­kal als auch hori­zon­tal mit­ein­an­der zu ver­bin­den.


Eine wei­te­re Ent­wick­lung, die viel­leicht schon bald ins Haus steht, ist die Steue­rung der Auf­zug­ka­bi­ne mit­tels App. Die Haus­be­woh­ner hal­ten ein­fach nur ihr Smart­phone in die Nähe eines Lese­ge­rä­tes am Lift. Die künst­li­che Intel­li­genz des Auf­zugs ent­schei­det, ob der Besit­zer sich auch tat­säch­lich im Haus auf­hal­ten darf, und in wel­chem Stock­werk er übli­cher­wei­se aus­steigt.

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