Unerwünschter Lebenskünstler: Wer schon einmal mit Schimmel in der Wohnung zu tun gehabt hat, weiß, wie hartnäckig er sein kann. Ohne die Lebensbedingungen des Schimmels zu kennen und seine Ursachen radikal zu beseitigen, wird man ihn kaum mehr los.
Ohne Pilze wäre das Leben auf unserer Erde nur schwer vorstellbar. Sie sind die großen Aufräumer: Wenn ein Organismus stirbt, sorgen Pilze dafür, dass die letzten Reste organischer Substanz zersetzt und in den Kreislauf des Lebens zurückgeführt werden. Ohne Pilze würde die Welt meterhoch mit Abfall bedeckt sein.
Aber nicht überall sind Pilze willkommen. Sie unterscheiden nicht, ob sie erwünscht oder unerwünscht sind. Erwünscht sind Pilze, wenn sie abgestorbenes Holz im Wald zersetzten und dabei Platz für neue, junge Bäume machen. Unerwünscht sind Pilze, wenn sie Holz besiedeln, aus dem ein Haus gebaut ist. Pilze sehen hier keinen Unterschied: Für sie ist ein Haus nichts weiter als ein Haufen organischer Substanz. Und das bedeutet für sie: Nahrung.
Unter „Pilze“ darf man sich freilich nicht immer die Fruchtkörper von Waldpilzen mit dem charakteristischen „Hut“ vorstellen. Eine weit verbreitete und nicht imnmer wohlgelittene Form von Pilzen ist der Schimmelpilz.
Vielfältige Lebensgemeinschaft
Genau genommen ist das, was wir gemeinhin Schimmel nennen, mehr als nur ein Pilz: Es ist eine Lebensgemeinschaft aus Schimmelpilzen, Bakterien und anderen Mikroorganismen. Bei älterem Schimmelbefall gesellen sich auch noch Milben dazu. Schimmelpilze sind die „Leitorganismen“ in dieser Lebensgemeinschaft. Es gibt eine große Anzahl von Schimmelpilzarten, und es werden immer wieder neue entdeckt. Für Feuchteschäden sind aber nur eine begrenzte Anzahl von Schimmelpilzarten verantwortlich.
Wie Schimmel sesshaft wird
Um sich zu vermehren, erzeugen Pilze Sporen. Das sind mikroskopisch kleine Zellen, die auf raffinierte Weise Wind und Luftströmungen nutzen, um sich zu verbreiten. Diese Sporen sind – genauso wie Bakterien – praktisch überall vorhanden. Sie gehören zu unserer Lebenswelt. Wenn diese Sporen auf einer Unterlage landen, die für sie lebensgünstige Bedingungen bereithält, vermehren sie sich, und es entsteht neuer Schimmel. Dazu müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Es müssen Nährstoffe in Form von organischem Material vorhanden sein, und die Umgebung muss genügend feucht sein. Beginnendes Schimmelwachstum ist mit freiem Auge noch nicht wahrnehmbar. Erst ab einer gewissen Dichte des Befalls ist Schimmel sichtbar.
Man muss unterscheiden zwischen Schimmelbefall und Kontamination.Von Kontamination spricht man, wenn Oberflächen oder Materialien mit Mikroorganismen lediglich verunreinigt sind, diese sich dort aber noch nicht dauerhaft niedergelassen haben. Schimmelbefall liegt dann vor, wenn eine Oberfläche von Schimmel besiedelt wird, dieser sich also darauf vermehrt. Dabei verankern sich die Mikroorganismen durch ihr Wachstum fester im Material und geben durch ihren Stoffwechsel organische Stoffe und auch ihre Sporen in die Atemluft ab.
Feuchtfröhliche Umstände
Schimmel braucht – wie gesagt – organisches Material und genügend Feuchte. Organisches Material findet sich in Häusern praktisch überall. Schimmelkulturen können Nährstoffe aus Baumaterialien nutzen, sie können aber auch Nährstoffe aus Fasern, Pollen, Bakterien, Haaren und Hautschuppen, die mit dem Hausstaub verbreitet werden, verwerten.
Da geeignetes organisches Material im Haus meist in Fülle vorhanden ist, bleibt als limitierender Faktor für das Schimmelwachstum die Feuchte. Materialien, die Feuchte speichern können, sind für Schimmel besonders anfällig. Das können Gipskartonwände, Tapeten oder Gegenstände aus Papier oder Leder sein. Auf glatten, dichten Materialen wie Glas, Metall oder Keramik kann sich Feuchte nicht lange halten. Auf ihnen siedelt sich auch kaum Schimmel an, da er dort keine Nährstoffe findet, die er verwerten kann. Ausgenommen, die Oberflächen sind schmutzig! Schmutzschichten bieten dem Schimmel sowohl die nötige Feuchte als auch Nährstoffe und somit prächtige Lebensbedingungen. In Zahlen ausgedrückt: Ideale Wachstumsbedingungen für Schimmel liegen bei einer relativen Feuchte von über 80 %. Fällt die relative Luftreuchte direkt an der Oberfläche von Materialien unter 70 % findet kein Schimmelwachstum mehr statt.
Materialien können oberflächlich trocken und trotzdem von Schimmel befallen sein. Dann nämlich, wenn sich die Feuchte unterhalb der sichtbaren Oberfläche hält. Zum Beispiel in den Poren saugfähigen Materials oder an der Grenzschicht zwischen verschiedenen Materialien. Versteckter Schimmel kann sich in Dämmstoffen halten, unter dem Estrich, hinter der Wandverkleidung oder in der Trittschalldämmung. Dieser Schimmel ist besonders heimtückisch, da ein Befall unter Umständen nur mikroskopisch im Labor nachweisbar ist. Schimmelschäden sind also nur zum Teil mit bloßem Auge sichtbar!
Sauer macht lustig – basisch tötet
Bis zu einem gewissen Grad spielt auch der pH-Wert für das Wachstum von Schimmel eine Rolle. Schimmelpilze bevorzugen saures Milieu. Oberhalb von pH 11 wachsen sie so gut wie nicht mehr. Das kann man nutzen, um in wenig genutzten Räumen Schimmelwachstum durch stark alkalische Anstriche vorübergehend zu unterbinden. Der pH-Wert von kalkbasierten Putzen und Kalkanstrichen liegt bei pH 10 und darüber. Allerdings muss man berücksichtigen, dass der pH-Wert im Laufe der Zeit sinkt, das heißt, dass die schimmelvermeidende Wirkung nur temporär ist.
Vermehrung und Opportunismus
Was startet eigentlich das Schimmelwachstum? Schimmelpilze bzw. Sporen sind in unserer Umgebung so gut wie immer vorhanden. Sporen dienen dem Schimmelpilz dazu, sich zu vermehren und auszubreiten. Sie können viele Kilometer weit vom Wind vertragen werden, bleiben monate- wenn nicht sogar jahrelang keimfähig und warten auf eine günstige Gelegenheit. Diese bietet sich dann, wenn die Sporen auf eine geeignete Umgebung treffen, d.h. es muss organisches Material vorhanden und es muss genügend feucht sein.
Sporen bildet Schimmel übrigens nur aus, wenn eine Chance besteht, dass diese auch vom Wind vertragen werden. Schimmel, der im Dunkeln wächst – zum Beispiel hinter Wandverkleidungen – bildet keine Sporen aus. Deshalb ist die Abwesenheit von messbaren Sporen noch kein Indikator dafür, dass die Wohnung schimmelfrei ist!
Schimmel bekämpfen: Nur Radikalität zählt!
Langfristig kann man Schimmnel nur bekämpfen, wenn man ihm seine Lebensgrundlage entzieht. Das heißt: Dauerhafte Feuchtigkeit muss bekämpft werden.
Stellen, die dauerhaft feucht sind, können durch Baumängel entstehen, durch einen Wasserschaden oder durch das Verhalten der Bewohner.
Schimmel an der Innenseite von Außenwänden ist oft das Resultat von unzureichender Wärmedämmung bzw. von Wärmebrücken. Wärmebrücken sind Bauteile, durch die Wärme rascher nach außen geleitet wird als in der übrigen Wand. Das kann eine Raumecke sein oder frei auskragende Balkone. Besonders kritisch sind Wanddurchbrüche und Steckdosen.
Wenn ein Teil der Wand wegen einer Wärmebrücke stark abkühlt, kondensiert dort das Wasser aus der warmen Raumluft. Kommt es dadurch zu dauerhafter Feuchte, fühlt sich dort auch der Schimmel wohl.
Risikofaktoren für Schimmelbilddung sind nicht fachgerechte Innenraumdämmung und durchlässige Dampfsperren. Das Argument, dass Wände „atmen“ müssen ist einem Missverständnis geschuldet. Luftaustausch – und damit der Abtransport von feuchter Luft – findet fast ausschließlich durch Lüftung statt.
Um das Schimmelrisiko zu erfassen, ist es wichtig, die Oberflächentemperatur und ‑feuchte von Mauerwerk mittels einer Infrarot-Thermografiekamera zu bestimmen. Eine einmalige Messsung gibt dabei nur unter gewissen Bedingungen Hinweise auf Wärmebrücken. Erst Messungen über eine längere Zeit und die Interpretation der Ergebnisse durch den Fachmann liefern aussagekräftige Ergebnisse.
Warum ist Schimmel in Wohnräumen so ein Problem?
Studien haben gezeigt, dass Menschen, die schimmeligen bzw. feuchten Innenräumen ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko haben, an Atemwegserkrankungen zu leiden. Insbesondere ist der Zusammenhang zwischen Schimmel und der Entstehung von Asthma bei Kindern nachgewiesen. Einige (wenige) Studien haben auch gezeigt, dass eine Verringerung der Feuchtelast in Innenräumen Atemwegsbeschwerden lindern kann. Der „Schimmelleitfaden“ des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus hält aber auch fest, dass es in den meisten Fällen nicht möglich ist, einzelne gesundheitliche Beeinträchtigungen einer bestimmten Person eindeutig auf Schimmelbefall in einem bestimmten Innenraum zurückzuführen (ausgenommen Allergien)