Von der Pro­blem­re­gi­on zum attrak­ti­ven Wohn- und Wirt­schaft­stand­ort: Der Immo­bi­li­en­markt im Wald­vier­tel erleb­te wäh­rend der Coro­na-Zeit einen Boom. Inzwi­schen sind die Prei­se etwas zurück­ge­gan­gen. Die Nach­fra­ge nach pas­sen­den Objek­ten ist aber nach wie vor hoch.


Bis zum Fall des Eiser­nen Vor­hangs war das nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Wald­vier­tel eine Regi­on, in der die Ent­wick­lung etwas lang­sa­mer von­stat­ten ging. Das brach­te mit sich, dass vie­le Orte des Wald­vier­tels schlecht erschlos­sen waren, und dass die Bevöl­ke­rungs­zahl kon­ti­nu­ier­lich zurück­ging. Eine Fol­ge davon war, dass Land­schaft und Natur im Wald­vier­tel urtüm­li­cher blie­ben als anders­wo. Das Leben blieb beschau­li­cher, die Umge­bung ruhi­ger. Dies wie­der­um sind eini­ge der Grün­de war­um in den letz­ten Jah­ren das Wald­vier­tel als Wohn- und Arbeits­stand­ort zuneh­mend beliebt wur­de. Ins­be­son­de­re wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie erleb­te das Woh­nen im Wald­vier­tel einen regel­rech­ten Boom.

Woh­nungs­markt im Wald­vier­tel hat sich nor­ma­li­siert
Die­ser Boom bekam im ver­gan­ge­nen Jahr einen merk­ba­ren Dämp­fer, wie Ing. Mag. (FH) Peter Wein­ber­ger, Geschäfts­füh­rer von Raiff­ei­sen Immo­bi­li­en NÖ, Wien & Bur­gen­land und Spre­cher von Raiff­ei­sen Immo­bi­li­en Öster­reich, anmerkt. Inzwi­schen aller­dings habe sich die Lage „nor­ma­li­siert“. Ein paar Zah­len mögen dies ver­an­schau­li­chen: 2023 wur­den in den Wald­viert­ler Bezir­ken Gmünd, Horn, Krems Land, Waidhofen/Thaya und Zwettl rund 1.800 Wohn­im­mo­bi­li­en im Wert von € 153 Mio. ver­äu­ßert. Die Prei­se für Ein­fa­mi­li­en­häu­ser san­ken von im Schnitt € 2.400/m2 im Jahr 2022 auf € 1.700/m2 im Jahr 2023. Das ist zwar ein deut­li­ches Minus von 29 %, die Prei­se lie­gen damit aber immer noch über dem Niveau der Vor-Coro­na-Jah­re. Die Prei­se für Eigen­tums­woh­nun­gen im Wald­vier­tel beweg­ten sich 2023 im Schnitt bei € 1.500/m2 nach € 2.100/m2 in 2022. Gesun­ken sind auch die Wald­viert­ler Grund­stücks­prei­se von rund € 30/m2 auf € 20/m2 in 2023, sie lie­gen damit jedoch deut­lich über dem Niveau von vor der Pan­de­mie (2019: € 15/m2).

Die Preis­rück­gän­ge im Wald­vier­tel waren somit ver­gleichs­wei­se stark aus­ge­prägt: Im Nie­der­ös­ter­reich-
Schnitt gin­gen die Prei­se für Ein­fa­mi­li­en­häu­ser, Grund­stü­cke und Eigen­tums­woh­nung 2023 nur leicht zurück bzw. sta­gnier­ten. Aller­dings waren wäh­rend der Pan­de­mie die Prei­se im Wald­vier­tel auch über­durch­schnitt­lich stark gestie­gen. Dazu bei­getra­gen hat zum einen die Mög­lich­keit, „remo­te“, also von zu Hau­se aus zu arbei­ten – Stich­wort „Home Office“. Zum ande­ren haben vie­le Men­schen die damals güns­ti­gen Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten genutzt. Danach war die Situa­ti­on eine ande­re. Jene, die ins Wald­vier­tel zie­hen woll­ten, hat­ten dies zum Groß­teil bereits getan, die Nach­fra­ge ist etwas gesun­ken. Inzwi­schen haben sich die Immo­bi­li­en­prei­se wie­der ein­ge­pen­delt.

Vie­le Objek­te sanie­rungs­be­dürf­tig
Wie sieht es mit dem Ange­bot an Immo­bi­li­en im Wald­vier­tel aus? Wein­ber­ger bemän­gelt, dass vie­le Objek­te am Markt sei­en, deren Eigen­tü­mer unrea­lis­ti­sche Preis­vor­stel­lun­gen hät­ten. Eine gro­ße Zahl der ange­bo­te­nen Objek­te sei­en sehr sanie­rungs­be­dür­fig und poten­ti­el­le Käu­fer hät­ten kaum Lust und Geduld, die­se Sanie­run­gen zu über­neh­men: „Vie­le
Pri­va­te haben Vor­stel­lun­gen, die weder dem Markt noch dem Zustand der Immo­bi­li­en­ob­jekt gerecht wer­den.“

Gera­de Zuge­zo­ge­ne hät­ten es ungleich schwe­rer, Sanie­run­gen in Angriff zu neh­men als Ein­hei­mi­sche. Die­se haben oft einen gro­ßen Bekann­ten- und Ver­wand­ten­kreis vor Ort, sodass Sanie­run­gen mit Nach­bar­schafts­hil­fe mög­lich sind. Für Zuge­zo­ge­ne hin­ge­gen ist es oft sogar schwer, pro­fes­sio­nel­le Hand­wer­ker in der Regi­on zu fin­den.


In die­sem Zusam­men­hang stellt Wein­ber­ger auch fest, dass es im Wald­vier­tel zwar eine gro­ße Nach­fra­ge nach Miet­woh­nun­gen gebe, aber kein aus­rei­chen­des Ange­bot. Um die­se Lücke zu schlie­ßen sei­en unter ande­rem Miet-Kauf-Model­le anzu­den­ken. Die Ver­mie­tung von Ein­fa­mi­li­en­häu­sern sieht Wein­ber­ger eher kri­tisch: „Die Objek­te müs­sen in einem ver­miet­ba­ren Zustand sein, das heißt, sie müs­sen saniert sein. Wenn der Mie­ter nach ein oder zwei Jah­ren wie­der aus­zieht, steht mög­li­cher­wei­se eine erneu­te Sanie­rung des Hau­ses an. Das ist ungleich auf­wän­di­ger als die Sanie­rung einer Woh­nung. Die Fra­ge ist, ob man sich das über­haupt leis­ten kann.“

Leer­stand aus emo­tio­na­len Grün­den
Josef Wal­len­ber­ger ist Geschäfts­füh­rer der Wal­len­ber­ger & Lin­hard Regio­nal­be­ra­tung in Horn, wel­che die Initia­ti­ve für den Ver­ein Inter­komm setz­te. Inter­komm ist eine frei­wil­li­ge Koope­ra­ti­on von 64 Gemein­den und ver­sucht mit der Initia­ti­ve „Woh­nen im Wald­vier­tel“ Men­schen für das Woh­nen, Arbei­ten und Leben im Wald­vier­tel zu begeis­tern.

Auch Wal­len­ber­ger kri­ti­siert, dass im Wald­vier­tel zu wenig Objek­te am Markt sei­en. Zwar gebe es einen gewis­sen Leer­stand, doch die­ser wer­de zurück­ge­hal­ten. Oft sei­en emo­tio­na­le Grün­de dafür ver­ant­wort­lich: Eigen­tü­mer woh­nen zwar nicht mehr in ihrem „Eltern­haus“, wol­len es aber auch nicht ver­mie­ten oder ver­kau­fen.
Wal­len­ber­ger regt an, die­sen Bestand zu sanie­ren und dem Markt zur Ver­fü­gung zu stel­len.

Vom Wochen­end­haus zum Haupt­wohn­sitz 02
Heu­te ist das Wald­vier­tel kein Abwan­de­rungs­land mehr. „Jähr­lich sie­deln sich im Durch­schnitt etwa 5.100 Per­so­nen in der Regi­on an und grün­den hier ihren Haupt­wohn­sitz, dar­un­ter unge­fähr 1.400 aus Wien,“ so
Wal­len­ber­ger. Dass die Bevöl­ke­rung im Wald­vier­tel den­noch sta­gniert bzw. leicht rück­läu­fig ist, hat mit dem Gebur­ten­rück­gang zu tun. Die posi­ti­ve Wan­der­be­we­gung gleicht dies zum Teil aus.

Die größ­te Grup­pe, die ins Wald­vier­tel zieht, sind Per­so­nen zwi­schen 22 und 33 Jah­ren, vie­le davon haben Kin­der. Eine immer wich­ti­ge­re Rol­le spielt mul­ti­lo­ka­les Woh­nen: Vie­le Men­schen aus den Bal­lungs­räu­men haben Zweit­wohn­sit­ze im Wald­vier­tel. Die­se sind aber heu­te meist mehr als nur Wochen­end­wohn­sit­ze. Dort wird auch – zumin­dest teil­wei­se – unter der Woche gewohnt und via Home Office gear­bei­tet. Dadurch stärkt sich die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der Gemein­de und dem Gemein­de­le­ben – ein Gewinn für bei­de Sei­ten.

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